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Dem Tode knapp entronnen

18.11.2004

Gestern auf dem Heimweg ... ja ja ich weiss, das kennen Sie schon. Aber lesen Sie ruhig weiter, denn diesmal ist es nicht die übliche Vergaserverstopfung.

Also fuhr ich fein auf der regennassen Residenzstrasse meines Weges. Die Residenzstrasse hat einen Mittelstreifen, der gelegentlich unterbrochen ist, um verirrten Menschen das Wenden zu ermöglichen. Einer dieser Verirrten tat auch so, hielt sein Fahrzeug an und wartete, dass eine Lücke im Gegenverkehr käme. Dabei hielt er die Leute hinter sich auf, und ein besonders grimmiger Teilnehmer benützte seine Lichthupe.

Dies trieb unseren Verirrten zur Eile und er vollendete sein Wendemanöver. Indes kam da keine Lücke, sondern meiner einer auf dem Schwein angefahren. Ich konnte eben noch hupen und "Arschloch!!" rufen, da stand ich auch schon vor der Wahl: Dem Trollbären mitten reinzufahren, oder bremsend auszuweichen. Ich entschied mich für letzteres, kriegte aber die Füsse nicht schnell genug auf den Boden und KRSCHROMMM! begab sich das Schwein in die stabile Seitenlage. Ich tat es ihm gleich, wobei ich sehr von der Lederjacke eines Gründungsmitglieds profitierte.

Hierbei nun war ich dem Tode knapp entronnen, denn die Fahrzeuge hinter mir hupten lieber, anstatt mich zu überrollen; es gibt eben doch noch anständige Autos. Irgendwer frug sogar, ob ich ok sei. Der Verursacher fuhr derweil an den Strassenrand und machte nicht deutlich, ob er nun dableiben will oder lieber weiterfahren. Ich richtete meinen Zeigefinger auf ihn und übertrug diesen Gedanken direkt in sein Gehirn: "Ich habe deine Autonummer. Du hast mein Schwein beschädigt. Wenn du jetzt abhaust, wirst du im Osthafen versenkt." - Er hielt auch an, und ich richtete zunächst mein Schwein auf und überzeugte mich von der Funktionalität meiner Gliedmassen.

Wutschnaubend trat ich an den Übertreter heran und brüllte ihn zusammen: Was für ein rücksichtsloses Arschloch er sei, in welcher Lotterie er seine Fleppen gewonnen habe ob er eigentlich zu selten die Fresse zerschlagen kriegt!? Er antwortete sinngemäss "Ja, dem ist so", indem er die provozierende Aussage gab:

"Ich hab Sie gar nicht gesehen." und weiter: "Der hinter mir hat solchen Stress gemacht."

Meine phänomenale Selbstbeherrschung - ärgert mich immer wieder - verhinderte, dass ich den Strassendreck von meinen Lederhandschuhen gleich an seiner Nase abputzte. Lieber wies ich ihn auf den Zusammenhang zwischen offenkundiger Verkehrsuntauglichkeit und der medizinisch-psychologischen Untersuchung hin und bot ihm ein ums andere Mal Schläge an, falls er nicht augenblicklich eine Demutsgeste einnähme. Er tat wie gewünscht und begann zu bitten, dass man es ohne Bullen regeln möge.

Aha. Offenbar traf mich keine Schuld. Er bot mir fünfzig Euro an und ich besah die Schäden; es war nur an Knie- und Trittblech etwas Farbe abgeschrammt und kein Drama. Einzig gefährdet sind bei sowas die Blinker und Aussenspiegel, die aber unversehrt blieben - diese breiten Kniebleche sehen vielleicht albern aus, bieten im Ernstfall aber eine Menge Schutz für Fahrer und innere Organe.

Ich sprach, das würde ich reparieren und ihm die Stunden aufschreiben; er möge mir doch seinen Namen und eine Telefonnummer ansagen. Eilfertig tat er wie geheissen, ich nahm seine Daten auf, trat das Schwein an und fuhr weiter.

Auf der Weiterfahrt merkte ich, dass mir nicht so grimmig zumute war, wie es hätte sein müssen; aber offenbar kann man Stress nicht nur durch körperlichen Gewalteinsatz abbauen, sondern auch durch lautes Herumbrüllen und indem man Leute vor Publikum herabwürdigt, ohne dass sie sich wehren können.

Der Stress war aber gar nicht abgebaut, sondern eher aufgeschoben. Jedenfalls zu Hause war alles ok; nur nach einer Stunde etwa begann ich mein linkes Knie zu bemerken, und nach einer weiteren Stunde auch die linke Hüfte: Aber klar, auf irgendwelchen Körperteilen muss man ja gelandet sein. War aber nicht schlimm; tatsächlich habe ich wieder mal ein Riesenglück gehabt. Oder den HERRN an meiner Seite, aber das ist ja bekanntlich Ansichtssache.


Knie- und Trittblech (4, 14)
Also, die Bilanz? Blendend - angesichts dessen, was hätte passieren können: Die Regenhose hat jetzt ein Loch im linken Knie, Tritt- und Knieblech links sind angeschrammt sowie eine winzige Ecke vom vorderen Schutzblech. Nass war ich eh schon, mit dem Dreck muss man halt leben und die blauen Flecke gehen von alleine wieder weg.

Und den Übertreter habe ich anhand seiner dünnen Angaben inzwischen vollständig identifizieren können, inklusive Arbeitgeber; das Internet ist doch ein Hort voll der nützlichsten Informationen. Am Wochenende werde ich mich mit den Lackdosen verlustieren und ihn am Montag auffordern, meinen Aufwand zu begleichen. Falls er nicht doch noch sterben möchte, wird er hurtig herbeilaufen und seine Schuldigkeit entrichten.

Abschliessend muss ich wieder mal dem HERRN danken, dass er mich einerseits deutlich auf die Tücke nasser Strassen hinwies - und es sich dennoch verkniff, mich bei der Gelegenheit gleich zuschanden zu machen. Und vor allem: Dass er das Schwein nahezu unverletzt liess. Nein, also das ist ein sehr halbvolles Glas.